Corona - Who Owns the Crown?

Ein Foolisher Blick auf das alles

 

Am Anfang von "Corona" hab ich die Ruhe genossen und die Nachrichten darüber vermieden. Ich wollte schlichtweg keine Angst haben. Dann hatte ich Corona, merklich, aber kurz. Jetzt wächst die Unruhe, ich will raus, will Menschen in realen Räumen treffen, beobachte gleichzeitig misstrauisch meinen Körper auf Symptome von Langzeitschäden, und höre mir die Nachrichten an - die offiziellen und die anderen. Und was ich höre und sehe ist enorm widersprüchlich. Ein, von mir wegen seiner Intelligenz und Feinfühligkeit sehr geschätzter Freund aus der Schweiz, schickt mir regelmäßig Youtube- Links und ist überzeugt, das wir mit Corona den bislang übelsten Gipfel des Überwachungskapitalismus erleben und dass durch die Impfung die letzte Grenze der Unversehrtheit überschritten wird. Die Theorie in Kürze -  Überwachungskapitalismus: Gewinnmaximierung und Propaganda wird gezielt von einigen wenigen gesteuert, die Zugang zu den Erhebungen der Datensammler wie Google und co. haben. Fairer Wettbewerb war längst gestern. (Mehr zum Thema Überwachungskapitalismus bei Shoshana Zuboff: „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“). Die Rettung der Pharmaindustrie ist ein Teil dieses Großprojektes und Impfung natürlich der Masterplan. Meine wirklich beste Freundin ist Ärztin und sieht das alles sehr pragmatisch. Hoffentlich ist die Impfung bald da und die Pandemie vorbei. Das war schon immer der Zugang der Medizin. Ist ein Krankheitserreger zu kompliziert, ist impfen die einzige Maßnahme um die katastrophale Ausbreitung in den Griff zu bekommen. Es ist unangenehm, aber wir müssen da durch. Eine andere Freundin hat sich im Bekanntenkreis mal umgehört, vor allem bei denen, die Kinder haben. Was sie da gehört hat, fasst sie folgendermaßen zusammen: "18 jährige, die 10 Kilo abgenommen haben, bleiche Jugendliche, Schüler, die das komplette homeschooling vom Bett aus machen, gar nicht mehr aufstehen. Pathologischer Medienkonsum, Jugendliche mit handfesten Depressionen."  (Mareile Blendl, link zum vollständigen Text HIER) Sie überlegt, gegen den Lockdown zu demonstrieren. Mein Vater hat furchtbare Angst zu sterben. Er hört jeden Morgen, gleich nach dem Aufwachen, und jeden Abend, kurz vor dem Einschlafen 1-2 Stunden Radio. Er will gar nichts hören von irgendwelchen Zweifeln an den Maßnahmen. Ich verstehe ihn. Und so geht es quer durch die Bank. Jede Position repräsentiert zugleich eine Stimme in meinem Inneren. Ich kann mich für keine Position entscheiden. Das ist keinesfalls angenehm. Daher entsteht für mich ständig die Frage: was ist würdeloser: Die Unfähigkeit, eine konkrete Haltung einzunehmen, oder das Gezeter der einseitig Überzeugten in den Kommentarspalten? Eins ist klar, das Thema ist komplex und fordert damit alle inneren Anteile heraus. Innere Anteile?

 

Die Psychologen Hal und Sidra Stone mit Voice Dialogue, oder Ansätze der Kommunikationspsychologie, etwa Schulz von Thun mit dem inneren Team, arbeiten schon lange mit dem Gespräch der inneren Anteile. Mich interessiert dieses Experimentierfeld außerordentlich. Es hat viel mit Theater tun. Die Jugendtheaterarbeit habe ich immer als Container, als Resonanz- und Zwischenraum zwischen Selbst und der knallharten Realität verstanden. Sozusagen ein geschützter Raum zum Erproben neuer Handlungsstrategien. Das Fooling verlegt diesen Erprobungs- oder Probenraum noch einen Schritt weiter nach innen. Die Arbeit mit den inneren Anteilen wird zum Spiel- und Experimentierfeld erhoben. 

Auf diesem Experimentierfeld haben wir zwei polare Settings beobachtet. Mit "wir" meine ich die Leute, die derzeit in der Nomadic Academy for Fools unterwegs sind. 

Wir nennen sie "Repertory Company" und den "Inneren Königshof".

Und hier meine näheren Untersuchungen dazu - "Repertory Company" und "Innerer Königshof" unterscheiden sich in der Anordnung. Die Repertory Company sind die inneren Anteile, gleichwertig im Kreis angeordnet. Ein Jeder tragisch-komisch in sich selbst und ein jeder trifft im Spiel zumeist auf sein Gegenteil.

Der innere Königshof sind die inneren Anteile, hierarchisch angeordnet und eine_r hat - bewusst oder unbewusst - die Herrschaft über alle anderen. 

Ziele ist des inneren Königshofes sind URTEIL und HANDLUNG. Der Archetyp dahinter ist der König bzw. die Königin.

So sehr sie auch nerven können, sie sind wichtig. Denn ohne Urteil bin ich ein Stück Watte im Wind und nicht handlungsfähig.

Das Ziel der Repertory Company ist das SPIEL. Der Archetyp dahinter ist der NARR. Der Blick des Narren macht alle_s gleichwertig und gleichwürdig. Auch der König und die Königin sind innerhalb dieses Kreises nur ein Aspekt der Vielen. Und gerade, weil die Beiden im "inneren Königshof" den höchsten Status besaßen, sprich, das Narrativ bestimmt haben, Autor der Situation waren, die "Autorität" eben, sind sie innerhalb des Kreises zumeist einer gewissen Lächerlichkeit preisgegeben. Wer hoch aufsteigt, kann tief fallen...

Dass das SPIEL wichtig ist, wissen wir langsam wohl alle. Ohne Spiel gehe ich seelisch drauf oder - ökonomischer ausgedrückt, bin ich nicht innovativ.

 

So gesehen sind beide Settings wichtig. Keines ist besser oder schlechter als das andere.

Und beide arbeiten innig zusammen. Das wird deutlich, sobald ich mir die Frage stelle:

Wie komme ich zu einem Urteil, das mich im besten Sinne handlungsfähig macht? 

 

Wenn ich m_ein gegebenes Urteil bemerke und hinterfrage, knipse ich einen Scheinwerfer an und richte ihn auf den inneren Königshof. Wo vorher Ruhe und Ordnung herrschte, herrscht nun Leben und Aufruhr. Als hätte man einen Stock in einen Ameisenhaufen gesteckt. Alle blinzeln benommen in´s Scheinwerferlicht. Wer auch immer gerade auf dem Thron sitzt, verliert die scheinbar gottgegebene Autorität. Und hier greifen plötzlich beide Prinzipien ineinander. Das Bewusstsein macht den Unterschied. Alles, was ab jetzt im Königshof geschieht, kann unter dem Gesichtspunkt der Repertory Company betrachtet werden. 

Als ich mich zum ersten Mal gefragt habe, wer eigentlich bei mir gewohnheitsmäßig den Thron erklimmt, habe ich mit Schrecken festgestellt: sieht aus wie "meine Mutter". Bei näherer Betrachtung wurde mir zudem klar, dass dieser Repräsentant nicht meine Mutter IST, sondern nur das, was ich in meiner inneren Welt zu ihrem Stellvertreter geformt habe. Ein Anteil der gewisse hervorstechende Eigenschaften besitzt, die ich meiner Mutter zuschreibe. Meine "Mutter" ist diplomatisch und mag keine Aufregung. Wenn es zu viel wird, steckt sie den Kopf in den Sand. Inzwischen weiß ich jedes Mal, wenn ich alles runterspiele und Bock habe, mich zu verdrücken, dass es mal wieder an der Zeit ist, den Scheinwerfer anzuknipsen.

  

Nur irgendwann endet das Spiel, die Scheinwerfer werden ausgeknipst. Und der Königshof tagt von neuem. Ich muss handeln und entscheiden. Und jetzt wird es spannend. Denn es KANN passieren, dass ich mir zwar ein wesentlich differenziertes Weltbild angeeignet habe - sprich mir alle Positionen angehört habe, dass aber immer noch das gewohnte Selbst auf dem Thron sitzt. Bei mir jenes, das ich meine Mutter nenne. Deswegen ist es wichtig, das Urteil nicht intellektuell zu verstehen, sondern als Handlungs-Fahrplan. Im Fooling nennen wir das "running judgement" - also welches Urteil bestimmt Deine Handlung? Es gibt äußerst herrschsüchtige Könige, die andauernd von Demokratie reden. Oder sehr entscheidungsunlustige Königinnen, die alle zum Handeln antreiben wollen. So etwas ist verwirrend. Daher ist Vorsicht geboten. Das Urteil ist wirklich eine Haltung mit allen sozialen Konsequenzen. Ich sollte mich also für die Strategie entscheiden, die in Anbetracht der Situation am sinnvollsten ist, und dann auch den Schmerz der Einseitigkeit tragen. Sprich, wenn es darum geht, zu kämpfen und nicht kompromissbereit zu sein, dann würde es in meinem Falle keinen Sinn ergeben, "meiner Mutter" weiterhin den Thron zu überlassen. Die Frage ist, ob das überhaupt jemals sinnvoll ist - aber dazu ein andermal ;-). Da muss ich jemand anderen wählen und dann ständig ermutigen, weil er oder sie natürlich an das Herrschen in mir bislang nicht so gewöhnt ist.

 

Was Corona und mich betrifft, läuft das Spiel noch. Der Widerstreit der Positionen ist so gravierend und betrifft mich so existenziell, dass ich gezwungen werde, dieses Spiel der Anteile anzusehen. Und das ist bislang der einzige Umgang mit Corona, den ich definitiv und ohne Zweifel sinnvoll finde. Eine erzwungene Arbeit am eigenen Urteilsvermögen.

 

Und wenn man an so einem Thema dran ist, dann findet man es natürlich überall. So ging es mir neulich bei Ken Wilber. Er nennt die hier beschriebene Arbeit mit den verschiedenen Anteilen "Clean - up" "Wake - up" "Grow - up".  

"Clean - up" - abgespaltene Persönlichkeitsanteile erkennen und integrieren. Damit positive und negative Projektionen überwinden.

"Wake - up" - das Selbst als Beobachter erkennen. Keiner der Anteile bin eigentlich Ich. Sobald etwas zum Gegenstand der Beobachtung wird, erkenne ich - der Beobachter bleibt - der Anteil war nur ein relativer Einfluss oder Aspekt.

"Grow - up" - diese Arbeit wird zu einer Fähigkeit meines alltäglichen Selbst. Ich bin in der Lage, Perspektiv-Wechsel vorzunehmen und eine Vielzahl von Positionen einzunehmen.

 

Link zu dem Vortrag von Ken Wilber HIER